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Der Schriftsteller von Weltrang aus dem
emmentalischen Lützelflüh

Im Alter von 40 Jahren erscheint Gotthelfs erster Roman – bis zu seine Tod, innerhalb von nur 17 Jahren, verfasst der begnadete Schriftsteller ein gewaltiges Werk mit 13 Romanen, rund 50 Erzählungen und 100 Kalendergeschichten. Sein Einfühlungsvermögen und sein Humor, die Beobachtungsgabe und die lebendige Schilderung von Menschen und deren Charakter, seine gnadenlose Zeitkritik, aber auch die "ewigen" Themen seiner Romane und Erzählungen machen ihn zu einem der bedeutendsten Schriftsteller der Schweiz, ja der ganzen Welt.

Der Bauernspiegel

Mit dem «Bauernspiegel – die Lebensgeschichte des Jeremias Gotthelf von ihm selbst erzählt» veröffentlicht Albert Bitzius 1837, im Alter von 40 Jahren, seinen ersten Roman. Die fiktive Autobiographie des Verdingbubs Mias, in welcher Bitzius den Bauern einen anklagenden Spiegel vorhält, erscheint bei Christian Langlois in Burgdorf.

Die Illustration zeigt die Titelseite einer späteren Edition, 1851, erschienen im Verlag Julius Springer Berlin.

Bitzius selbst vergleicht den Beginn seiner literarischen Tätigkeit mit dem plötzlichen «Losbrechen einer lange verhaltenen Kraft», dem «Ausbruch eines Bergsees». An seinen Cousin Karl Bitzius schreibt er am 16. Dezember 1838: «Ein solcher See bricht in wilden Fluten los, bis er sich Bahn gebrochen, und führt Dreck und Steine mit in wildem Graus. Dann läutert er sich und kann ein schönes Wässerchen werden. So ist mein Schreiben auch gewesen ein Bahnbrechen, ein wildes Umsichschlagen nach allen Seiten hin, woher der Druck gekommen, um freien Platz zu erhalten.» Spuren von Bitzius’ schriftstellerischem Talent lassen sich aber bereits lange vor dem «Bauernspiegel» in seinen Predigten, Briefen oder Zeitungsartikeln finden.
 
Jeremias Gotthelf und Peter Käser – zwei Pseudonyme
von Albert Bitzius
1838/39 publiziert er in der Wagner’schen Buchhandlung in Bern unter dem Pseudonym Peter Käser den zweibändigen Roman «Leiden und Freuden eines Schulmeisters». Auch in seinem zweiten Roman setzt sich Bitzius mit den sozialen und politischen Problemen seiner Zeit auseinander und übt in scharfer Tonart Gesellschaftskritik – diesmal an den Missständen im bernischen Schulwesen. Von den Behörden, den führenden Pädagogen der damaligen Zeit und den Lehrern wird der Roman eher ungnädig aufgenommen. Karl Bitzius wirft seinem Cousin Albert daher vor, «Provokationen auf alle Seiten» auszuteilen und sich dadurch unzählige «Feinde aus der Erde zu stampfen». Bitzius antwortet, er schreibe ausschliesslich um der Wahrheit willen. Die Kritik, die der Schulmeisterroman beinhalte, habe durchaus ihre Berechtigung: «Es gibt eine inwohnende Nötigung, die zur Treue zwingt, welche die Wahrheit niederlegt in ein Buch, dass um der Wahrheit willen das Buch lebe, wenn der Verfasser nicht mehr ist.»
 
Seinem Freund Joseph Burkhalter aus Oberönz gegenüber äussert er sich über seine Ziele, die er als Autor zu erreichen suche, mit folgenden Worten: «Es ist merkwürdig, dass die Welt und nicht Ehrgeiz oder Fleiss mich zum Schriftsteller gemacht. Sie drückte so lange auf mich, bis sie Bücher mir aus dem Kopfe drückte, um sie ihr an die Köpfe zu werfen. Und da ich etwas grob werfe, so will sie das nicht leiden; das kann ihr eigentlich auch niemand übel nehmen. Indessen muss sie mir Platz machen, muss mich gelten lassen, und zwar als keinen Esel, muss mir ein vernünftig Wort zu sprechen vergönnen, wann und zu was ich will.»

Der Shulmeister

1838, noch vor dem zweiten Band des Schulmeisterromans, erscheint die Erzählung «Wie fünf Mädchen jämmerlich im Branntwein umkommen», und zwar unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf. Bitzius verwendet den Namen seines ersten Romanhelden auch für die Veröffentlichung der «Wassernot im Emmental». Das Pseudonym Jeremias Gotthelf sollte von da an auf den Buchumschlägen all seiner literarischen Werke prangen.

Gewaltige Schaffenskraft – Gotthelf der Vielschreiber
Bitzius ist ein äussert produktiver Schriftsteller. Bis zu seinem Tod am 22. Oktober 1854 entsteht im Pfarrhaus von Lützelflüh ein umfangreiches Werk, das 13 Romane, rund 50 Erzählungen und 25 Kalendergeschichten umfasst. Sein psychologisches Einfühlungsvermögen, seine scharfe Beobachtungsgabe, sein manchmal derber, manchmal augenzwinkernder Humor, seine einzigartigen, zwischen den Buchdeckeln zum Leben erwachenden Charaktere, seine gnadenlose Zeitkritik – verbunden mit der Absicht, die «Herzen zu erwärmen» – und das Aufgreifen von zeitlos elementaren Themen und Fragestellungen führen dazu, dass er bis heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Welt gilt.

Uli der Knecht

Schon zu Lebzeiten wird er mit Shakespeare verglichen. Gottfried Keller schreibt in seinem Nachruf, dass Gotthelf «ohne Ausnahme das grösste epische Talent war, welches seit langer Zeit und vielleicht für lange Zeit lebte». Adolf Muschg verleiht mit folgenden Worten seiner Bewunderung für Gotthelf Ausdruck: «Keller verkörpert ein Jahrhundert, Gotthelf ein Jahrtausend.»

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Altes Foto des Gasthofs Ochsen in Lützelflüh: Es wird erzählt, dass er hier öfters "inkognito" in einem Nebenstübchen sitzt und den Leuten der Gemeinde zuhört und sich durch deren Geschichten inspirieren lässt...

Autor: Markus Hofer; Quellen/Literatur: Holl, Hanns Peter: Jeremias Gotthelf. Leben – Werk – Zeit. Zürich/München: 1998.



Originalmanuskript