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Der Bourbaki Stein: Im Gedenken an die internierten Bourbaki-Soldaten in Lützelflüh 1871

1870/71 herrscht zwischen Deutschland und Frankreich Krieg. Ende 1870 wird die „Armée de l’Est“ unter General Charles Denis Bourbakis Kommando von der deutschen Süd-Armee Edwin Manteuffel in der Schlacht an der Lisaine jenseits der Schweizer Grenze geschlagen und eingekesselt.
Den rund 87‘000 französischen Soldaten bleibt Anfang Januar 1871 nur die Flucht und der Übertritt in die Schweiz an verschiedenen Orten im Neuenburger Jura. Die Männer sind von den Entbehrungen des Krieges gezeichnet und lassen sich willig entwaffnen und ins Hinterland führen. Anschliessend werden sie in einer gewaltigen logistischen Leistung über das ganze Land verteilt, wo sie vorübergehend Unterkunft finden.




Der Bourbaki Gedenkstein in Lützelflüh ist nicht der einzige... ähnliche gibt es in Signau, Weinfelden, in Schinznach-Bad oder in Grosshöchstetten.
So kommen auch 247 Soldaten nach Lützelflüh! Die Gemeinde heizt die Kirche und die Bauern bringen Stroh, so dass die Männer erst einmal zur Ruhe kommen. Auch für Verpflegung ist gesorgt. Es werden Massnahmen zur Vermeidung einer Feuersbrunst getroffen und im nahen Schulhaus wird ein Wachtlokal eingerichtet.

Impressionen aus einer bernischen Kirche: Das Leid der Internierten der Bourbaki Armee ist gross, ebenso die Hilfe der einheimischen Bevölkerung. Ähnlich dürfte es in der Kirche von Lützelflüh ausgesehen haben.
Zwischen den fremden Soldaten und der einheimischen Bevölkerung entwickelt sich bald – trotz den Sprachschwierigkeiten – ein freundschaftliches Verhältnis. Als nach mehreren Wochen die Internierung zu Ende geht und die Franzosen in ihre Heimat zurückkehren können, gibt es im Gasthof Ochsen ein grosses Abschiedsfest. Die Soldaten überreichen den Bewohnern ein Gedenkblatt, in dem sie der Gemeinde Lützelflüh für die freundliche Aufnahme danken. Lehrer Reist hält eine kurze Abschiedsrede in französischer Sprache. Sie wird mit lautem «Vive la République! Vive la Suisse!» verdankt – und die Soldaten verlangen sogar eine Kopie dieser Ansprache als Souvenir.
Nicht alle Bourbakis können allerdings in ihre Heimat zurückkehren, drei Soldaten überleben ihre Verletzungen nicht und werden «in fremder Erde begraben», wie das «Emmenthaler Blatt» damals berichtet.
Seit 1901 erinnert ein einfacher Gedenkstein an die drei verstorbenen «Soldats de l’Armée de l’Est»: Jean Babouti, Pierre Branger und François Prudhomme.

Das gewaltige Bourbaki-Panorama in Luzern erinnert an die Internierung der 87’000 französischen Soldaten, die im Winter 1871 in der Schweiz Zuflucht finden. Der Maler Edouard Castres erzählt auf einem 112 mal 10 Meter grossen Rundbild diese Geschichte.
Die Internierten hinterlassen deutliche Spuren ihres Aufenthaltes, die Kirche muss gereinigt und teilweise repariert werden, auch der gotische Taufstein erleidet Beschädigungen und muss ersetzt werden. Die Kosten von etwas über 13'000 Franken trägt die Gemeinde, der Kanton und der französische Staat.
Lützelflüh setzte damals ein schönes Zeichen gelebter Solidarität.

Im Buch von Max Frutiger "Die Gotthelf Kirche von Lützelflüh" (auf dem dieser Text basiert) ist diese Illustration von George Roux mit dem Titel "Kindliche Neugier" abgebildet: Sie zeigt Kinder, welche die französischen Soldaten bestaunen.