Weiterführende Informationen zum Kulturweg "Unterwegs zu Gotthelf"
Vorder Ellenberg "Spittel" - hier könnte die Romanfigur Jeremias Gotthelf eine Zeit lang gelebt haben.


Asyl für alte und armengenössige Mägde und Knechte, auch "Spittel" genannt
Die Hofgruppe "Vorder Ellenberg" war zu Gotthelfs Zeiten ein Altersasyl für arme Knechte und Mägde, aber auch ein Art Krankenhaus. Daher nannte man das Gehöft auch "Spittel".
Besonders interessant ist der "Heidenstock" von 1608, ein Gebäude, das in untypischer Manier aus Stein gebaut ist - und nicht aus Holz, wie sonst meist im Emmental. "Heidenstöcke" dienten ursprünglich als Speicher.

Im Emmental und im Oberaargau sind noch heute verschiedene "Heidenstöcke" zu finden. Die meisten stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert und gelten als Urform bäuerlicher Speicher. Der älteste Speicher dieser Art in Niederösch stammt aus dem Jahre 1535.
Viele dieser Speicher sind unterkellert und haben - im Gegensatz zum sonst typischen Walmdach der Region - ein Satteldach.
Der Stock auf dem Vorder Ellenberg weist eine Laube auf: Die ist vermutlich erst später angebaut worden, ebenso das Dach, das stark über die Mauern hinausragt, und der kleine Gerschild, das Dachdreieck unter der First..

Der Stock auf dem Schmiedberg in der Nähe von Rüegsbach, unweit von Lützelflüh hat keine Laube und entspricht wohl noch mehr der ursprünglichen Form des "Heidenstocks".
Der Grundrisse ist meist rechteckig, die Mauern sind dick, bis zu einem Meter und bestehen aus rohen Feldsteinen oder grob behauenen Bruchsteinen..
Der Dachvorsprung ist meist sehr klein, und die Gebäude haben keine echten Fenster, mehr nur schmale Lucken zur Entlüftung und Ventilation.
Der "Schopf" aus Holz rechts ist mit Sicherheit erst später angebaut worden.
Grosser Spitalbrand 1848 - Pfarrer Bitzius hilft beim Löschen
Pfarrer Bitzius betonte immer, dass der Glaube ein "tätiger" sein müsse und dem Nächsten zugute kommen müsse! Frömmelei, Bigotterie und Stündelerwesen waren ihm zutiefst zuwider. So verwundert es nicht, dass er beim grossen Brand des Spittels von 1848 tatkräftig mithalf bei den Löscharbeiten. Sein erster Biograf, Carl Manuel, schreibt darüber: "So arbeitete er beim grossen Spitalbrand in Lützelflüh die ganze Zeit an der Spritze oder in der Eimerreiche. Man fürchtete damals für das Leben mehrere im Hause zurückgebliebener Kranker, deren Rettung zweifelhaft war. Bitzius wich nicht vom Platze, bis diese Rettung gelungen und er sich von derselben überzeugt hatte."
Anschliessend organisierte Pfarrer Bitzius auch eine Sammlung für die Opfer der Brandkatastrophe.

Mit dem Erstling "Der Bauernspiegel" von 1836/37 wird aus Pfarrer Albert Bitzius der Schriftsteller Jeremias Gotthelf
In diesem Roman, einer fiktiven Autobiografie von eben dieser Figur Jeremias "Mias" Gotthelf, beschreibt der Lützelflüher Pfarrer den Lebensweg des Verdingbuben Mias. Nach mehreren unglücklichen Stationen als "Güterbub" bei diversen Bauern flieht er nach einer bösen Schlägerei in die Schweizergarde nach Paris, um dem Gefängnis zu entkommen. Nach der Revolution kehrt er in die Heimat zurück, wo er ganz und gar nicht freundlich aufgenommen wird.
Zudem ist er schwer krank - und so landet er im Spital. Im Kapitel "Meine Krankheit und dem Spital seine" beschreibt Gotthelf die himmeltraurigen Zustände im "Spittel" und wie er mehrere Wochen bewusstlos dort verbrachte.
Ob der "Vorder Ellenberg" Gotthelf "Modell stand?
Nach der Genesung sucht der ehemalige Soldat eine Stelle als Lehrer, Polizist oder Strassen-Inspektor.
Wegen seinen roten Uniform-Hosen des Gardisten, nennt man ihn einen "Roten" und begegnet ihm mit vielen Vorurteilen und grosser Skepsis. Er bekommt keine der Stellen, obschon er natürlich in der Fremde viele wertvolle Erfahrungen gesammelt hat und alle diese Jobs bestens erledigen könnte.
So wohnt er zum Schluss in einer Gastwirtschaft und wirkt dort als eine Art "Volkserzieher". Ganz erfolgreich erzählt er von seinem Leben und von dem, was er gelernt und erfahren hat, und bildet auf diese Weise gar die Einheimischen! Ein Freund motiviert Jeremias Gotthelf, sein Leben doch aufzuschreiben, was er denn auch tut.
So heisst der Roman mit vollem Titel "Der Bauernspiegel - Lebens des Jeremias Gotthelf von ihm selbst beschrieben". Ob Gotthelf dann die Stelle als Gemeindeschreiber erhält, für die er sich am Ende der Geschichte bewirbt, lässt der Roman offen...